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Keto und Darmflora: gute Nachrichten
In dieser Meldung möchte ich von einem Mini-Review berichten, das sich mit dem Einfluss einer fettreichen und/oder ketogenen Ernährung auf die Darmflora beschäftigt und was dies für unsere Gesundheit bedeutet. Diese Arbeit gehört zum Spannendsten, was ich in den letzten Wochen gelesen habe – und zudem ist sie auch noch schön zu lesen, was man ja nicht von allen wissenschaftlichen Abhandlungen behaupten kann. Die Autoren kritisieren das herkömmliche Design von Studien, die Einflüsse fettreicher Kostformen auf die Darmflora untersuchen, und deren Interpretation. Zugleich zeigen sie evolutionär sinnvollere Erklärungsmöglichkeiten auf.
Was ist eine “gesunde” Darmflora?
Dass unsere Darm-Mikrobiota über unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden mitentscheiden, ist inzwischen unstrittig. Ihre Zusammensetzung, ihre Vielfalt sowie ihre Stoffwechseltätigkeiten beeinflussen viele Aspekte unseres Lebens, vom Schlaf über die Stimmung bis hin zum Körpergewicht und zur Hirngesundheit. Doch was ist gut für die Darmflora (die alte Bezeichnung ist nicht ganz korrekt, ich verwende sie trotzdem gerne und meine damit die Mikrobiota des Darms)? Was macht eine “gesunde” Darmflora aus?Die gängige Lesart ist, dass nur der reichliche Konsum ballaststoffreicher pflanzlicher Lebensmittel zu einer gesunden Darmbesiedelung führt, weil aus den Ballaststoffen bzw. akkurater, aus den durch die Mikrobiota abbaubaren Kohlenhydraten (MAC = Microbiota-Accessible Carbohydrates) kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat entstehen, die die Darmzellen nähren und schützen. Fettreiche Kostformen gelten dagegen relativ pauschal als ungesund, weil sie die Darmflora verändern und beispielsweise wichtige Butyratbildner wie Bifidobakterien hemmen.
Im Lichte der Evolution betrachtet …
… macht vieles jedoch Sinn. Ein französisch-amerikanisches Forscherteam hat jetzt die vorhandenen Studien und die gängigen Auslegungen kritisch unter die Lupe genommen. Wobei ihre Lupe die evolutionäre Sicht auf das Zusammenleben von Mensch und Mikrobe ist. Dies führt zu der Einsicht, dass sich beide über Jahrhunderttausende zusammen entwickelt haben (Co-Evolution) und dass Veränderungen in der Ernährung des Menschen immer auch zu Veränderungen in seiner Mikrobiota führen: Sind z. B. viele ballaststoffreiche Kohlenhydrate vorhanden, gedeihen im Darm auch mehr Kohlenhydratverwerter und Butyratbildner. Gibt es wenige Kohlenhydrate oder überhaupt wenig oder nichts zu essen, gedeihen im Darm eher Fett- und Eiweißverwerter. Dies ist nach Einschätzung der Autoren ein Zeichen der flexiblen Anpassung an wechselnde Lebensumstände, von metabolischer Flexibilität also, die für mehr Gesundheit und Wohlbefinden steht, nicht für weniger.
Die Forscher kritisieren unter anderem, dass in vielen (Tier-)Studien, die den Einfluss fettreicher Kostformen auf die Darmflora untersuchten …
- Mäuse verwendet wurden, deren natürliches Futter kohlenhydratreich und fettarm ist. Kein Wunder, wenn sie fettreiches Futter nicht gut vertragen.
- Mäuse verwendet wurden, die extra so gezüchtet sind, dass sie unter fettreicher Kost dick werden.
- die Qulität der verwendeten “fettreichen” Kostformen grottig war, denn sie bestanden aus raffinierten Pflanzenölen und Schmalz sowie viel Zucker. Sie zitieren dazu den Wissenschaftler Craig Warden, der dies als das “Mäuseäquivalent zu Schweinschwarten-Chips, Spareribs und Coke” bezeichnet hat. Mit einer wohlformulierten fettreichen Ernährung (z. B. ketogene Ernährung) hat das rein gar nichts zu tun.
- auch in Humanstudien die gefundenen Veränderungen der Mikrobiota als ungünstig interpretiert wurden, ohne dass man eindeutige Belege dafür hätte.
Veränderung ist nicht per se schlecht
Veränderungnen der Darmflora können eben auch als Zeichen einer sinnvollen Anpassung gedeutet werden. In diesem Zusammenhang weisen die Autoren darauf hin, dass eine pflanzenbasierte, fettarme Ernährung zwar zu einer etwa doppelt so hohen Bildung kurzkettiger Fettsäuren (Butyrat und Acetat) führt wie eine fett- und proteinreiche, kohlenhydratarme Ernährung. Dafür entstehen bei letzterer jedoch mehr Isovaleriat und Isobutyrat, die ähnliche Wirkungen im Darm entfalten wie Butyrat. Es kommt also mehr auf die Stoffwechseltätigkeiten der Mikroben an als nur auf die vorhandene Stämme!Letztlich, so die Forscher, profitieren Darmzellen eben nicht nur von Butyrat und Acetat aus dem Darmlumen, sondern auch von Isobutyrat aus der Fermentation von Proteinen, Fettsäuren aus der Galle (Acylcarnitine) aber eben auch von Ketonen, die bei ketogener Ernährung von der Leber via Blut zum Darm gelangen. Sie alle binden an die gleichen Rezeptoren von Darmzellen, üben stark überlappende Wirkungen aus und können zur Energieversorgung herangezogen werden.Angesichts dieser Erkenntnisse schlagen die Autoren vor, dass Studien künftig auch die evolutionäre Sichtweise berücksichtigen und nicht fett- und zuckerreiches Junkfood mit wohlformulierten ketogenen Erährungsformen in einen Topf werfen. Wir alle sollten aufgeschlossen gegenüber alternativen Erklärungsansätzen bleiben.
Mein Senf dazu
Diese Übersichtsarbeit finde ich hoch erfreulich, denn sie ist erfrischend undogmatisch, benennt klar und unprätentiös die möglichen Denkfehler in den bisherigen Studien und deren Interpretation und macht Vorschläge, wie die Forschung verbessert werden kann. So etwas freut mich sehr – und ich bin mir sicher, dass wir künftig noch viele spannende Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen gesunden (!) fettbetonten Kostformen und den Mikrobiota gewinnen werden.
Und wer wissen will, wie eine wohlformulierte ketogene Ernährung aussieht und schmeckt, dem seien meine Bücher, vor allem “Der Keto Kompass”, “Das Keto-Kompass-Kochbuch” und “Keto – richtig gesund” empfohlen.
Mehr über meine Arbeit, meine Bücher sowie Veranstaltungs-Termine auf meiner Webseite ulrikegonder.de
Quelle
Sholl, J et al., mBio 2021;12:e00579-21, frei zugänglich
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