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Gegen Darmkrebs: Keto-Diät oder BHB?

Bildquelle: Canva pro

Als “neuen Ansatz gegen Darmkrebs” werden die Ergebnisse einer Studie gefeiert, die ergaben, dass eine ketogene Ernährung ebenso wie das Keton Beta-Hydroxybutyrat (BHB) Mäuse vor Darmkrebs schützen und das Wachstum vorhandener Tumore bremsen konnte. Auch in menschlichen Zellkulturen konnte BHB das Tumorwachstum hemmen. Die Originalarbeit ist in Nature veröffentlicht, eine Besprechung des Artikels findet sich z. B. unter dem Titel “Keto-Molekül gegen Darmkrebs” im Wissenschafts-Newsletters Scinexx vom 27. April. Bei dieser Überschrift frage ich mich unweigerlich: Brauchen wir jetzt keine ketogene Ernährung mehr?

Keto und BHB hemmen Tumorwachstum im Mäusedarm

An der Universität von Pennsylvania in Philadelphia hatte man zunächst Mäuse auf verschiedene Diäten gesetzt, mit Fettgehalten von 0,3 bis 90 %, also von sehr kohlenhydratreich bis sehr fettreich bzw. streng ketogen. Die fettreichste Keto-Diät (90 % Fett) gab es einmal nur mit tierischem (Schweineschmalz) und einmal nur mit pflanzlichem Fett (Crisco, ein teilgehärtetes Pflanzenfett). Die Proteinmengen aller Testdiäten blieben gleich. Dann verursachte man mithilfe der dazu üblichen Chemikalien Darmkrebs bei den Tieren. Die  verschiedenen Futtervarianten wirkten sich deutlich unterschiedlich auf das Tumorwachstum aus: Mit zunehmendem Fettanteil (und abnehmendem Kohlenhydratanteil) des Futters hatten Größe und Zahl der Tumoren abgenommen. Es wurde sowohl die Neubildung von Tumoren als auch das Wachstum bereits vorhandener Darmkrebsgeschwulste gehemmt. Folglich könnte eine ketogene Ernährung sowohl vorbeugend als auch therapeutisch gegen Darmkrebs wirken.

Auf der Suche nach den dafür verantwortlichen Mechanismen, testeten die Wissenschaftler den Ketonkörper Beta-Hydroxybutyrat (BHB), dem bereits eine ganze Reihe positiver Effekte zugeschrieben werden (z. B. Regulation des Immunsystems, Entzündungshemmung, Förderung der Mitochondrienfunktion und -Neubildung). Dabei zeigte sich, dass die alleinige Gabe von BHB zum regulären Mausfutter ausreichte, um die Tumorlast im Dickdarm der Tiere zu senken.

Humanzellen weisen auf Rezeptor und Gen hin

An menschlichen Darmzellkulturen konnte außerdem gezeigt werden, dass BHB die Proliferation von Kryptazellen reduziert und auf diese Weise das Wachstum intestinaler Tumoren hemmen könnte. Allerdings sprachen nicht alle Darmkrebs-Zelllinien auf das BHB an. Bei den Zelllinien, die darauf ansprachen, aktivierte das BHB mithilfe eines Rezeptors auf den Zelloberflächen (Hcar2) ein Gen, was zu einer verringerten Zellteilung führte.

Diese Daten wurden durch die Untersuchung an Darmkrebs-Organoiden gestützt, die ergaben, dass bei erhöhten BHB-Werten die epitheliale Zellproliferation geringer ausfällt. Organoide werden aus menschlichem (Tumor-)Gewebe gezüchtet, das beispielsweise bei Biopsien anfällt. Sie erlauben es eher als Zellkulturen, Forschungsergebnisse auf den Menschen zu übertragen. Für einen Effekt auch beim Menschen sprach der letzte Teil der Studie, bei dem die BHB-Werte von 9 Darmkrebspatienten in Relation zur Aktivierung des proliferationshemmenden Gens (HOPX) gesetzt wurden. Es fand sich auch hier eine inverse Korrelation: Je mehr BHB sich im Blut der Patienten fand (Werte zwischen 0,1 und ca. 1 mmol/l), desto stärker war das hemmende Enzym exprimiert.

Ernährungsumstellung oder BHB?

Die Wissenschaftler sehen im BHB einen vielversprechenden Ansatz für die Vorbeugung und Therapie von Darmkrebs. Seniorautor Maayan Levy wird von Scinexx so zitiert: “Das Molekül könnte eines Tages zur Standardkomponente der colorektalen Krebstherapie und Prävention werden”. Denkbar sei es beispielsweise, dass das Keton ergänzend zu Operationen oder Chemotherapien verabreicht werde.

Zugleich warnen die Forscher Darmkrebs-Patienten jedoch davor, sich auf eigene Faust ketogen zu ernähren oder eigenständig BHB einzunehmen. Für vielversprechender halten sie den tumorhemmenden Effekt des BHB, der sich im Tierversuch auch bei normalem Futter gezeigt habe. Eine klinische Studie sei in Planung – und das ist auch wichtig, denn Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebserkrankung weltweit.

Mein Senf dazu

Zunächst einmal ist der Titel der Arbeit eine kleine Sensation: “BHB unterdrückt Darmkrebs”. Klare Aussage. Was man wohl auch sagen kann: Die neuen Erkenntnisse ergänzen die bisherigen vielversprechenden Ergebnisse aus anderen Mausstudien und aus den ersten Humanstudien zu diesem Thema. Denn ganz so neu ist der Ansatz nicht. Es gibt z. B. eine Studie, die unter Chemotherapie in Kombination mit ketogener Ernährung ein besseres Ansprechen auf die Therapie und bessere Krankheitsverläufe bei Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs fand.

Und ja, es ist einfacher, BHB einzunehmen, als seine Ernährung umzustellen. Ja, ketogen zu essen, schafft nicht jeder und kann und darf nicht jeder. Dennoch möchte ich auf Zweierlei hinweisen: Im Scinexx-Artikel steht mal wieder, eine ketogene Ernährung sei auf Dauer “wenig gesund” und das ist mal wieder Unsinn, denn dafür gibt es in dieser Pauschalität keine Hinweise. Aus der Behandlung von Patienten mit GLUT1-Defekten wissen wir beispielsweise, dass sie auch langfristig anwendbar und sicher in Sachen kardiovaskulärer Risiken ist. Und auch wenn es richtig ist, dass Patienten die Diät (oder Supplemente) nicht ohne das Wissen und die Begleitung ihres therapeutischen Teams einsetzen sollten, so finde ich die pauschale Warnung davor überzogen.

Überhaupt, die BHB-Supplementierung: Ich bin mir sicher, dass ihr in einigen Bereichen die Zukunft gehören wird (z. B. bei/gegen Demenz, MS, Parkinson), auch bei Krebserkrankungen. Doch zu glauben, die Einnahme von BHB bei einer unverändert schlechten Ernährung brächte gleichermaßen Vorteile wie eine Ernährungsumstellung (auf keto oder zumindest auf lower carb plus MCTs bei hoher Nährstoffdichte), halte ich für gewagt. Um nicht zu sagen für falsch. Vielleicht lautet die Antwort auf die Frage Ernährungsumstellung oder BHB daher: Ernährungsumstellung UND (bei Bedarf) BHB!

Quellen

Keto-Molekül gegen Darmkrebs, https://www.scinexx.de/news/medizin/keto-molekuel-gegen-darmkrebs/?fbclid=IwAR39FUiYKAgjd41P38v2mP3f4EabsyWbqOw56sKAmMg-hmBevbkNUUEgp3Q

Dmitrieva-Posocco, O et al.: ß-Hydroxybutyrate suppresses colorectal cancer. Nature 2022, Abstract online am 27.4., https://www.nature.com/articles/s41586-022-04649-6#citeas

Diplom Oecotrophologin, Freie Wissenschaftsjournalistin, neugierig, kritisch, undogmatisch

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