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Ketone für funktionstüchtige Immunzellen

Letzte Woche besuchte ich zusammen mit der Kollegin Julia Tulipan die 3. Keto Live Conference in Bergün in der Schweiz. Es war eine sehr lehrreiche und anregende Woche, von der ich das eine oder andere Highlight berichten möchte, zunächst zum Thema Ketone und Immunfunktion bei viralen Infekten. Dazu habe ich (ganz) kleines Interview mit Prof. Dr. Christoph Wilhelm vom Medizinischen Institut der Klinischen Chemie und Pharmakologie der Universität Bonn geführt, der in Bergün einen Vortrag dazu gehalten.

Prof. Christoph Wilhelm, Universität Bonn, ist Immunpathologe und hat sich damit beschäftigt, wie Ketonkörper die Aktivität und die Energieversorgung von Immunzellen unterstützen können.

 

 

Interview Prof. Christoph Wilhelm Bergün 23

Können Ketone Immunzellen unterstützen?

Letztlich kam man auf die Zusammenhänge, weil sowohl der Mensch als auch viele Tiere bei akuten Infektionen den Appetit verlieren und Fasten. So kommt es ganz automatisch zur Ketose. Aber beeinflusst dies auch die Immunantwort, etwa bei Lungeninfektionen oder bei schweren COVID-Verläufen (ARDS, Akutes Respiratorisches Disstress Syndrom)?

Anhand von Tier- und humanen Zellkulturstudien konnten Wilhelm und sein Team zeigen, dass die Immunzellen bei (schweren) SARS-CoV-2-Infektionen erschöpft sind, weil ihre Mitochondrien und damit die Energiegewinnung aus Fettsäuren und Ketonen gestört ist. Um genug Signalstoffe (Zytokine) bilden zu können, benötigen die T-Zellen des Immunsystems jedoch funktionstüchtige Mitochondrien und genug Energie. Die Glykoslyse aus Glukose ist dazu nicht in der Lage. Ketone können diese Lücke schließen, indem sie die oxidative Phosphorylierung in der Atmungskette in den Mitochondrien gewährleisten und die Mitochondrien schützen. Auch können sie die bei Infektionen häufigen Verluste an Aminosäuren überbrücken. So stellen sie unter anderem die Versorgung mit dem Zytokin Interferon-γ sicher, das die CD4+ T-Zellen des Immunsystems zur Abwehr viraler Lungeninfekte benötigen. Bei schweren COVID-Verläufen sind jedoch gerade diese Zellen metabolisch eingeschränkt.

SARS-CoV-2-Infektion (COVID): gestörte Ketonbildung

Interessanterweise ist die natürliche Ketonbildung bei Patienten mit durch SARS-CoV-2 induziertem ARDS gestört, bei Grippe-induziertem ARDS jedoch nicht. Durch eine ketogene Ernährung oder durch die Zugabe von exogenem Beta-Hydroxybutyrat (BHB) ließ sich sowohl das Überleben von CD4+ T-Zellen als auch die Interferon-γ-Produktion ankurbeln.  BHB dient dabei als alternative Energiequelle für die Atmungskette und zur Produktion bioenergetische Aminosäuren (Glutamat) sowie des bedeutenden Antioxidans Glutathion.

Während die Immunzellen von Patienten mit SARS-CoV-2-induziertem ARDS erschöpft waren und vermehrt Glykolyse betrieben, gelang es, sie mithilfe von BHB wieder umzuprogrammieren und ihre Funktionalität zu erhöhen. Bei Mäusen mit schweren COVID-Verläufen waren sowohl eine ketogene Diät als auch exogenes BHB in Form eines Ketonesters in der Lage, den gestörten Stoffwechsel und die Funktion der CD4 + T-Zellen wiederherzustellen und das Überleben der Mäuse zu verlängern.

Mein Senf dazu

Ketonkörper können also das Immunsystem “reprogrammieren”, was bei Mäusen mit schweren COVID-Verläufen sogar zu einem besseren Überleben geführt hat. Diese Erkenntnisse sind sehr wichtig für Patientinnen und Patienten mit viralen Infektionserkrankungen und folglich auch für Post-COVID und Post-VAC-Betroffene. Wenn Ketone das Immunsystem so gut ausgleichen und die Zellen mit der nötigen Energie versorgen, können und sollten (!) sie unbedingt in die Therapie einbezogen werden. Praktisch ist, dass die Effekte sowohl mit ketogener Ernährung als auch mit exogenen Ketonen erreichbar sind. Gute Aussichten!

Quellen

Karagiannis, F et al. Impaired ketogenesis ties metabolism to T cell dysfunction in COVID-19. Nature 2022;609:801-807 und der Vortrag von Prof. Wilhelm am 13.6.2023 in Bergün,
Fotos von der Konferenzseite www.european-keto-live-centre.com/

Diplom Oecotrophologin, Freie Wissenschaftsjournalistin, neugierig, kritisch, undogmatisch

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