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Steigert der BMI die Mortalität?

Bildquelle: pixabay.com, Stichwort BMI, Selbstliebe

Das Thema meines heutigen Blogbeitrages hat nicht direkt mit low-carb, keto oder Fetten zu tun. Ich finde es aber dennoch extrem wichtig, weil es beispielhaft zeigt, wie leicht wir voreilige Schlüsse ziehen, vor allem, wenn es um das Dicksein und die Sterblichkeit geht. Höchste Zeit also, etwas differenzierter hinzuschauen.

Ursache und Wirkung – nicht so klar, wie gedacht

Bekannt ist, dass Adipositas mit erhöhten Risiken für viele nichtinfektiöse, chronische Krankheiten (NCKs) einhergeht, von Typ-2-Diabetes über kardiovaskuläre Krankheiten und Nierenleiden bis zur Nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) und diversen Krebsformen (z. B. Darmkrebs). Aber verursacht eine große Körperfülle diese Krankheiten und die damit verbundene erhöhte vorzeitige Sterblichkeit? Immerhin gab die Global Burden of Disease Studie für 2017 an, erhöhte BMI-Werte seien ursächlich für  2,4 Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich. 

Mit solchen Schlussfolgerungen sollten wir vorsichtig sein, wie die Autoren der aktuellen Studie aufzeigen: Ihnen fiel beispielsweise auf, dass unter jenen, die an NCKs leiden, das Sterberisiko geringer ist, wenn sie zugleich adipös sind. Auch bei älteren Menschen und bei kritisch kranken Patienten sei die Sterblichkeit der adipösen mitunter niedriger als die der schlanke(re)n. Zudem gebe es keine ausreichende Evidenz für einen echten ursächlichen (!) Zusammenhang zwischen Adipositas und einer erhöhten Sterblichkeit. Auch wenn wir diesen oft unkritisch akzeptierten, müssten wir eingestehen, dass die Daten dazu nicht die Bradford-Hill-Kriterien für ursächliche Zusammenhänge in der Medizin erfüllten.

Entscheidend: Insulin und Entzündungen 

Hyperinsulinämie und Entzündungen gelten als mögliche Vermittler der statistischen Zusammenhänge (Korrelationen) zwischen Adipositas und erhöhter Sterblichkeit. Aber: Hohe Nüchterninsulinwerte gehen einer Adipositas oft voraus – sie können also nicht ursächlich dafür sein. Und chronische Entzündungen werden offenbar auch nicht durch Adipositas ausgelöst, sondern lediglich verstärkt. Aufgrund dieser Diskrepanzen führte das kanadisch-amerikanische Forscherteam anhand repräsentativer Daten aus den USA (NHANES 1999 – 2014) jetzt erstmals eine Mediationsanalyse durch. Sie sollte zeigen, ob hohe Nüchterninsulinspiegel (Hyperinsulinämie) und chronische Entzündungen (CRP-Wert) den statistischen Zusammenhang zwischen Adipositas und Sterblichkeit erklären.

  • Wurde nur nach dem BMI geschaut, zeigte sich bei den Männern eine U-förmige Beziehung zur Sterblichkeit. Sie lag am niedrigsten bei einem BMI von 28 und stieg unterhalb von 25 und oberhalb von 33 signifikant an. Bei den Frauen fand sich kein Zusammenhang zwischen BMI und der Mortalität. 
  • Nachdem noch das Alter und das Rauchen berücksichtigt worden waren, verschwand die Beziehung zwischen dem BMI und der Sterblichkeit.
  • Wurden dazu noch die Nüchterinsulin- und die CRP-Werte mit einbezogen, korrelierte die Sterblichkeit invers mit dem BMI: Je höher der BMI, desto geringer die Sterbewahrscheinlichkeit. Dafür verdoppelte sich die Mortalität mit steigendem Nüchterninsulin (kam eher bei Männern vor) und sie verdreifachte sich mit steigendem CRP (kam eher bei Frauen vor).
  • Wurde statt des Nüchterninsulins der HOMA-Index (Maß für Insulinresistenz) und statt des BMI der prozentuale Körperfettanteil in die Analysen einbezogen, änderten sich die Zusammenhänge praktisch nicht.

Somit, so die Autoren, verzerrten hohe Nüchterninsulin- und CRP-Werte den Zusammenhang zwischen Adipositas und Sterblichkeit: Nicht der hohen BMI verkürzt per se die Lebensspanne, sondern zu viel Insulin und zu viele Entzündungen. Beides ist bei Adipösen zwar häufiger, kommt jedoch auch bei Schlanke(re)n vor und gefährde eben auch deren Lebenserwartung erheblich. 

Für ihre Hypothese sprächen auch die Ergebnisse einer vorausgegangenen Analyse des gleichen Datenbestands unter Berücksichtigung des Metabolischen Syndroms: Auch hier korrelierte der BMI invers mit der Sterblichkeit, das heißt, hier stellte ebenfalls nicht der BMI per se, sondern das metabolische Syndrom die Gefahr dar.

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Mein Senf dazu

Ok, es ist “nur” eine beobachtende Studie, ohne Intervention, und es ist auch nur eine Sekundäranalyse vorhandener Daten, aus denen eine zu prüfende Schlussfolgerung gezogen wird. Dennoch liefert uns diese Arbeit wichtige Erkenntnisse und Denkanstöße. Wenn hohe Insulinspiegel und die Entzündungen zuerst da sind, dann ist die Adipositas womöglich eine sinnvolle Anpassungsreaktion des Organismus, um Hyperinsulinämie und chronische Entzündungen einigermaßen glimpflich zu überstehen. Nicht gerade eine intuitive Sichtweise, aber dennoch bedenkenswert (auch die Insulinresistenz ist ja letztlich eine Anpassungsreaktion, um Schlimmeres zu verhindern).

Was bedeutet das fürs Abnehmen? Vielleicht ist es gar nicht so wichtig. Vielleicht ist es wichtiger, seinen Stoffwechsel in Ordnung zu bringen, also für niedrige Insulinspiegel und für weniger chronische Entzündungen zu sorgen. Dann müsste es dem Organismus auch möglich sein, auf einen Teil seines Gewichts zu verzichten. Den Stoffwechsel auch ohne Abnahme in Ordnung bringen? Das gelingt mit low-carb Kostformen meist besser als mit anderen “Diäten”. Womit ich doch wieder beim Thema wäre …

Quellen:
Wiebe, N et al.: Associations of body mass index, fasting insulin, and inflammation with mortality: a prospective cohort study. Int J Obes 2022;46:2107-2113
Dai, H et al.: The global burden of disease attributable to high body mass index in 195 countries and territories, 1990-2017: an analysis of the Global Burden of Disease Study. PLoS Med 2020;17:e1003198
Hill, AB: The environment and disease: association or causation? Proc R Soc Med 1965;58:295–300
Shi, TH et al.: The influence of metabolic syndrome in predicting mortality risk among us adults: importance of metabolic syndrome even in adults with normal weight. Prev Chronic Dis 2020;17:E36

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Diplom Oecotrophologin, Freie Wissenschaftsjournalistin, neugierig, kritisch, undogmatisch

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