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Wechseljahre: nicht nur “hitzefrei”
Hitzewallungen, Depressionen, Gedächtnislücken, schlaflose Nächte, trockene Schleimhäute, Falten und steigendes Gewicht – die Aussichten auf die Wechseljahre sind nicht gerade rosig, zumal sie sich über viele Jahre hinziehen können. Allerdings leiden nicht alle Frauen (aber auch etwa jeder dritte Mann) unter der hormonellen Umstellungen in der Lebensmitte: Bei etwa einem Drittel der Frauen sind die Beschwerden so heftig und anhaltend, dass sie behandelt werden sollten. Ein weiteres Drittel kommt mit leichten Unpässlichkeiten oder ein paar wenigen zusätzlichen Pfunden davon, während das glückliche letzte Drittel der Frauen die Wechseljahre symptomlos durchlebt und vielleicht sogar ein wenig abnimmt.
Ebenso lang wie die Liste der Beschwerden sind die Tipps dagegen: weniger Essen, weniger Kaffee, Alkohol und scharfe Gewürze, leichtere Kleidung, Yoga und andere Entspannungstechniken, pflanzliche Mittel wie Traubensilberkerze, Frauenmantel, Johanniskraut, Hopfen, Salbei und Mönchspfeffer und natürlich viel Sport und eine positive Einstellung zur neuen Lebensphase. Dies alles kann – zumindest bei milden Symptomen – helfen, in Form zu bleiben und die unangenehmen Nebenwirkungen der hormonellen Umstellung erträglicher zu machen. Nicht wenige Frauen kommen damit zurecht, und nach einer Weile lassen die Beschwerden nach, weil der Körper ein neues Gleichgewicht gefunden hat.
Wer glaubt, damit sei das Thema erledigt, übersieht jedoch etwas ganz Entscheidendes: Mit den Wechseljahren steigt das Risiko der Frauen für Herz- und Gefäßerkrankungen, für Osteoporose, Brustkrebs, Inkontinenz, Infektionen und Demenzen – nicht selten erst dann, wenn die Wechseljahrsbeschwerden längst vergessen sind. (Artikel erschien in leicht gekürzter Fassung am 18.3.2016 in der Saarbrücker Zeitung)So sind nach Angaben von Prof. Petra Stute von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital in Bern die Frauen durchschnittlich 45 Jahre alt, wenn sie die ersten Hitzewallungen bemerken und mit etwa 50 Jahren haben sie ihre letzte Monatsblutung. Doch erst gut zwei Jahre später macht die Rückbildung der vaginalen Schleimhaut gesundheitliche Probleme, fünf Jahre nach der letzten Blutung tauchen Probleme mit den harnleitenden Organe auf, nach rund sieben Jahren kommen die Herzerkrankungen und nach zehn Jahren die Osteoporose dazu.
Die Symptome zu Beginn der Wechseljahre zeigen also im Grunde nur an, dass sich der Hormonhaushalt jetzt verändert. Die langfristigen Folgen dieser Veränderungen zeigen sich erst viele Jahre später. Wie kann das sein? Es liegt daran, dass die Geschlechtshormone eben nicht ausschließlich für die Fruchtbarkeit zuständig sind, sondern überall im Körper weitere wichtige Aufgaben erfüllen, selbst im Gehirn. Lässt die Hormonproduktion der Eierstöcke (bzw. der Hoden) nach oder versiegt sie ganz, kann folglich auch die Gesundheit insgesamt beeinträchtigt sein.
Das Hormon Östrogen steuert beispielsweise auch die Körperfettverteilung, die Energiegewinnung, das Entzündungsgeschehen sowie den Zucker- und Fettstoffwechsel. Sinkt der Östrogenpegel, ändert sich auch die Figur, das Körperbild wird „maskuliner“ mit schwindender Taille und mehr Fett im Bauchraum. Damit steigt auch das Risiko für Fettleber, Diabetes und Herzinfarkt. Vor diesen Erkrankungen sind Frauen bis zu den Wechseljahren durch ihr Östrogen (und Progesteron) normalerweise gut geschützt. Erst mit dem Eintritt der Menopause steigt ihr Risiko deutlich und gleicht sich dem der Männer an.
Weil die Menschen heute immer älter werden, verbringen die Frauen in wohlhabenden Ländern mindestens ein Drittel ihres Lebens in der Postmenopause. Damit ist die Zeit nach der letzten Monatsregel gemeint. Alle Tipps und Maßnahmen für diese Zeit dürfen daher nicht nur die unangenehmen Symptome während der Wechseljahre im Blick haben, sondern wie sich die Gesundheit langfristig erhalten lässt.
Dafür braucht es einen insgesamt gesunden Lebensstil mit angemessener Bewegung, Entspannung und Stressabbau, mit ausreichend Schlaf, genug Sonne und einer sättigenden, wohlschmeckenden, nährstoffreichen, aber kohlenhydratreduzierten Ernährung. Dennoch wird es nicht immer gelingen, die Auswirkungen der hormonellen Veränderungen der Wechseljahre aufzufangen. Wenn die Beschwerden heftig sind oder wenn trotz vernünftiger Lebens- und Essgewohnheiten das Gewicht steigt, die Knochen zu schnell schrumpfen, die Hirnleistung und die Gefäßgesundheit zu sehr leiden, sollte ernsthaft über einen Hormonersatz nachgedacht werden.
Hormone? Die richtigen!
Das ganze körperliche und seelische Durcheinander während und nach den weiblichen Wechseljahren wird maßgeblich vom Nachlassen der Hormonproduktion in den Eierstöcken verursacht. Es ist jedoch keineswegs so, dass dies plötzlich geschieht oder nur das Hormon Östrogen betrifft. Sehr viel früher, meist schon ab Mitte dreißig, lässt die Produktion des Progesterons nach. Es wird normalerweise ab dem Eisprung in der Zyklusmitte gebildet. Nistet sich kein befruchtetes Ei ein, fällt der Progesteronspiegel wieder ab, die Gebärmutterschleimhaut wird abgebaut und es kommt zur Blutung.
Da viele Frauen bereits ab Mitte dreißig unregelmäßige Eisprünge haben, sinkt die Progesteronbildung schon früh. Meist produzieren die Eierstöcke zu dieser Zeit noch genügend Östrogen, sodass die ausgeklügelte Balance zwischen den beiden Hormonen nicht mehr stimmt. Bei übergewichtigen Damen (und Herren) kommt noch das Östrogen hinzu, das im Fettgewebe gebildet wird, sodass im gesamten Körper die Wirkungen des Östrogens überwiegen und nicht mehr durch genügend Progesteron ausbalanciert werden. Diese Östrogendominanz kann ganze eine Reihe von Beschwerden verursachen. Die Starnberger Gynäkologin Dr. Annelie Scheuernstuhl nennt in ihrem Buch Natürliche Hormontherapie für beide Geschlechter Kopfschmerzen und Migräne, depressive Verstimmungen, Gewichtszunahmen und Wassereinlagerungen, Venenprobleme, Schilddrüsenstörungen und ein hohes Risiko für Thrombosen und Gefäßerkrankungen. Bei Frauen kommen Zysten, heftigere Blutungen, Hitzewallungen, Libidoverlust, Myome und ein erhöhtes Krebsrisiko (Brust und Gebärmutter) dazu, bei Männern Brustansatz, Fetteinlagerungen und Aufgedunsensein.
Zu Beginn der Wechseljahre sinkt bei Frauen auch nicht einfach das Östrogen, sondern verschiedene Hormone schwanken erst einmal heftig. Deswegen sind auch die Symptome so vielfältig und wechselhaft. Schon aus diesem Grund ist es sinnvoll, bei Beschwerden einen Hormonstatus machen zu lassen. Denn erst wenn klar ist, was fehlt bzw. welche Ungleichgewichte vorliegen, kann ein adäquater Hormonersatz gefunden werden.
Doch das scheint für viele Frauen keine Lösung (mehr): Spätestens seit 2002 im medizinischen Fachblatt JAMA (2002;288:321-333) die katastrophalen Ergebnisse der amerikanischen WHI-Studie (Women´s Health Intitiative) veröffentlicht wurden, gilt die Hormonersatztherapie als sehr riskant. Tatsächlich musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden, weil die Hormongaben an gut 27.000 Teilnehmerinnen nicht zu weniger, sondern zu mehr Brustkrebs, Thrombosen, Demenzen und Herzinfarkten geführt hatten. In einer Untergruppe sank zwar das Brustkrebsrisiko, dafür stiegen jedoch die Schlaganfälle an.
Seither wendeten sich viele Frauen und Therapeuten gänzlich von einer Hormonersatztherapie ab. Die Verschreibungen brachen in Kalifornien um bis zu 68 % ein und schon kurz darauf sanken die Brustkrebserkrankungen um 11 %, wie die Gesundheitswissenschaftlerin Christina Clarke von der Stanford Universität in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Oncology (2006;24:e49-e50) berichtete. Also doch besser leiden und kein Hormonersatz?
Es gibt eine Handvoll Ärzte und Therapeuten, die das völlig anders sehen. Denn in der WHI und in ähnlichen Studien erhielten die Frauen gar keinen wirklichen Ersatz ihrer fehlenden Hormone, sondern ein Gemisch diverser Östrogene aus dem Urin trächtiger Stuten sowie chemisch veränderte Progesteronabkömmlinge. Diese Substanzen sind dem menschlichen Körper fremd, sie können wohl Hitzewallungen lindern, halten jedoch auf Dauer nicht gesund. Der eigentliche Skandal ist, dass deren Krebs und Thrombosen auslösende Wirkungen bekannt waren.
So weiß man seit langem, dass Östrogene das Zellwachstum fördern. Daher können sie vor Osteoporose schützen, erhöhen jedoch das Risiko für Gebärmutterkrebs. Deswegen ist das Progesteron so wichtig: Es bremst die Östrogenwirkungen ab und gleicht sie aus. So schützt es beispielsweise vor Gebärmutterkrebs. Fatal nur, dass die in den Studien verwendeten synthetische Substanzen die Funktionen nur teilweise erfüllen. Sie können zwar vor Gebärmutterkrebs schützen, erhöhen jedoch das Brustkrebsrisiko – und genau das kam bei der WHI-Studie heraus.
Noch skandalöser als die Tatsache, dass die Frauen gar keinen echten Hormonersatz bekamen, sondern körperfremde, krebserregende und thrombosefördernde Substanzen, ist folgendes: Es gibt seit Jahren Hormone, die den körpereigenen exakt entsprechen! Diese sogenannten bioidentischen Hormone werden aus Yamswurzeln oder Soja hergestellt, die eine pflanzliche Vorstufe enthalten, das Diosgenin. Dieser Pflanzenstoff kann durch eine labortechnische Bearbeitung so verändert werden, dass er von den menschlichen Hormonen nicht zu unterscheiden ist.
Genau solche bioidentischen Hormone empfehlen Gynäkologen wie Dr. Scheuernstuhl aus Starnberg oder Dr. Alexander Römmler aus München. Ebenso wie der deutsche Pionier der Anwendung bioidentischer Hormone bei Frauen und Männern, Dr. Volker Rimkus aus dem norddeutschen Strande, haben sie Bücher geschrieben und referieren auf ärztlichen Fortbildungen, um die nach ihrem Dafürhalten bessere, weil sicherere Methode bekannt zu machen und den vielen Betroffenen zu helfen.
Noch gibt es Vorbehalte, auch weil viele Ärzte kaum etwas über die bioidentischen Alternativen wissen und weil die Risiken der synthetischen Präparate verallgemeinert werden. Zur Verunsicherung mag auch beitragen, dass die Befürworter bioidentischer Hormone im Detail Meinungsverschiedenheiten haben, z. B. darüber, ob die Hormonwerte im Blut oder im Speichel getestet werden sollen, ob man die Hormone als Tablette, Pflaster oder Creme anwendet und ob man sie durchgängig nehmen oder Pausen einlegen sollte.
Dazu kommt, dass noch nicht sehr viel zu bioidentischen Hormonen geforscht wurde – im Gegensatz zu den synthetischen Medikamenten mit hormonähnlicher Wirkung sind sie keine Kassenschlager. Die französische E3N-Studie konnte jedoch an über 80.000 postmenopausalen Teilnehmerinnen nach rund 8 Jahren zeigen, dass Frauen, die Östrogen zusammen mit bioidentischem Progesteron einnahmen oder auftrugen, kein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben (Breast Cancer Research & Treatment 2008;107:103-111).
Eine prospektive Auswertung der Daten von 300 amerikanischen Frauen, die bioidentische Hormone auf der Haut anwendeten, ergab, dass sie im Verlauf von drei Jahren nicht nur ihre Wechseljahrsbeschwerden lindern konnten, sondern auch ihren Zucker- und Fettstoffwechsel, Entzündungswerte und die Blutgerinnungsneigung verbesserten. Wie Kenna Stephenson und ein Team vom Gesundheitszentrum der Universität von Texas Anfang 2013 in der Zeitschrift International Journal of Pharmaceutical Compounding (2013;17:74-85) berichteten, zeigten die Frauen durchweg verbesserte gesundheitliche Risikomarker, obwohl sie in dieser Zeit auch einen stressigen Alltag bewältigen mussten.
Allmählich scheinen sich die Vorteile eines „artgerechten“ und echten Hormonersatzes herumzusprechen. So empfahl der Münchner Gynäkologe Pedro-Antonio Regidor in der Zeitschrift Geburtshilfe und Frauenheilkunde (2014;74:995-1002) bioidentisches Progesteron aufgrund seiner vielfältigen positiven Eigenschaften als „eine sichere Option in der Behandlung der menopausalen Beschwerden…, bei gleichzeitig besserem Nutzen-Risiko-Profil“ als die synthetischen Substanzen.
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