Phantasie-Aussagen wie „das gesunde Frühstück“ oder „gut für den Körper“ dürfen seit dem 1. Juli 2007 nicht mehr ohne weitere Erläuterung auf Lebensmitteln stehen. Derartige Angaben müssen künftig nicht nur erläutert werden, sondern auch konkreten Anforderungen genügen. Mit der neuen Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen bei Lebensmitteln schaffte die EU endlich eine einheitliche und verbindliche Rechtsgrundlage für die Auslobung von Lebensmitteln. Damit soll verhindert werden, dass Verbrauchern mit Wischiwaschi-Aussagen getäuscht werden. Zugleich soll den Herstellern erlaubt werden, auf bestimmte Eigenschaften oder nachweisbare Vorzüge ihrer Produkte hinzuweisen.
Angaben über Fett-, Salz- oder Kaloriengehalte waren auch in der Vergangenheit schon zulässig. Generell verboten war es jedoch, im Zusammenhang mit Lebensmitteln mit gesundheits- oder gar krankheitsbezogenen Aussagen zu werben. Damit sollte der Unterschied zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln deutlich gemacht werden: Was gegen Krankheiten helfen soll, musste aufwändig getestet und zugelassen werden. Lebensmittel unterliegen dagegen keiner generellen Zulassungspflicht. Daher durften sie auch nicht mit Aussagen wie „fördert die Knochengesundheit“ oder „schützt das Herz“ beworben werden. Wer die Werbung insbesondere für probiotische Joghurts, angereicherte Frühstücksflocken, Multivitaminsäfte, Diätmenüs und andere Functional Foods in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, dürfte aber unschwer festgestellt haben, dass sich die Formulierungen auf den Verpackungen oft sehr hart an der Grenze des zulässigen befanden. Außerdem werden Lebensmittel heute zunehmend am Reißbrett zusammenkomponiert, um bestimmte gesundheitliche Wirkungen zu entfalten. Da ist es nachvollziehbar, dass die Hersteller der teuren Neuentwicklungen mit deren tatsächlichen oder vermeintlichen Vorteilen auch werben möchten. Bislang war dies in der EU nur in sehr engen Grenzen möglich, während es in Japan und den USA seit vielen Jahren konkrete Vorgaben für positive Gesundheitsaussagen, so genannte Health Claims gibt. Eine einheitliche und den Gegebenheiten angemessene Regelung war daher dringend nötig.
Die neue Verordnung unterscheidet verschiedene Gruppen von Angaben oder Claims: Für Nährwertangaben wie „reich an Vitamin E“ oder „fettfrei“ gibt sie insgesamt 24 verbindliche Definitionen an. Bei den gesundheitsbezogenen Angaben ist das Regelwerk aber noch lückenhaft. Denn die EU-Kommission hat noch bis Januar 2009 Zeit, die Voraussetzungen für eine Liste künftig erlaubter gesundheitsbezogener Aussagen zu erarbeiten. Bis dahin dürfen noch alle bisherigen Aussagen wie etwa „senkt den Cholesterinspiegel“ verwendet werden, sofern sie die Verbraucher nicht irreführen, eine ausführliche Nährwertkennzeichnung tragen und keinen Krankheitsbezug herstellen. Frühestens ab 2010 gibt es dann eine EU-weit gültige Liste mit allen zulässigen positiven Gesundheitsaussagen, die wissenschaftlich belegbar sein müssen. Grundsätzlich verboten bleiben Aussagen zu krankheitsverhütenden Wirkungen (z.B. „schützt vor Herzinfarkt“) und Aussagen über die Gesundheit und das Wachstum von Kindern – es sei denn, sie wurden im Zuge eines aufwändigen Verfahrens nach der Health-Claims-Verordnung explizit zugelassen.
Die neue Verordnung gilt grundsätzlich für alle Lebensmittel, sowohl für verpackte als auch unverpackte. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob nur verpackte und hoch verarbeitete Designerprodukte von ihr profitieren. Deren Hersteller werben auf den Etiketten mit allem, was geht. Ob sich jedoch auch am Obst-, Gemüse-, Brot-, Fleisch- oder Käsestand entsprechende Angaben auf loser Ware finden werden? Wird man die Hinweise „fettarm“ und „arm an gesättigten Fettsäuren“ je an einem Schweinelendchen finden? Oder wird der Verbraucher den Eindruck bekommen, nur industriell hergestellte Produkte seien besonders „leicht“ oder reich am Nährstoff XY oder zur Vorbeugung der Zuckerkrankheit besser geeignet als das, was Acker und Stall liefern?
Ärgerlich ist das Zusammenwerfen von gesättigten und trans-Fettsäuren in eine Kategorie. Das suggeriert, die beiden Fettsäure-Typen seien gleich „schlecht“, was jedoch nicht der Fall ist. Gesättigte Fettsäuren, die vor allem in Butter, Wurst, Käse, Milch, Kokos- und Palmkernfett vorkommen, gelten landläufig als ungesund, weil sie das „böse“ LDL-Cholesterin im Blut steigern können. Daher standen sie lange im Verdacht, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu fördern. Allerdings musste die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in Bonn in ihrer neuen Leitlinie zum Thema gesättigte Fettsäuren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kürzlich feststellen, dass die wissenschaftliche Datenlage weitaus schwächer ist als bisher angenommen. Das heißt, es ist keineswegs gesichert, dass gesättigte Fettsäuren zu Herzinfarkt führen.
Das könnte unter anderem daran liegen, dass sie nicht nur das „schlechte“ LDL-Cholesterin anheben, sondern auch das „gute“, vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützende HDL-Cholesterin. Auch verbessern sich viele Blutwerte, wenn anstelle von Kohlenhydraten mehr gesättigte Fettsäuren verzehrt werden. Ganz anders verhält es sich mit den trans-Fettsäuren, die bei der industriellen Teilhärtung von Fetten entstehen und die vor allem in Fertigprodukten, Snacks und Gebäck vorkommen. Ihre einzige Gemeinsamkeit mit gesättigten Fettsäuren besteht darin, dass sie ebenfalls das „böse“ LDL-Cholesterin im Blut erhöhen. Ansonsten wirken trans-Fettsäuren völlig anders: Sie senken auch das „gute“ HDL-Cholesterin, blockieren wichtige Enzyme im Fettstoffwechsel und können so entzündliche Prozesse fördern und das Herzinfarktrisiko steigern. Sie werden in Zellmembranen eingebaut und stören deren Funktion, was unter anderem mit Entwicklungsstörungen bei Kindern in Verbindung gebracht wurde. Zwar ist auch bei der Erforschung der trans-Fettsäuren das letzte Wort noch nicht gesprochen, sie mit den gesättigten Fettsäuren in eine Schublade zu werfen ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar und ungerechtfertigt. Für die Gesundheit der Verbraucher wäre es hilfreicher gewesen, man hätte sich auf EU-Ebene zu einer Obergrenze oder wenigstens einer Deklarationspflicht für trans-Fettsäuren aus der chemischen Fetthärtung durchringen können, wie es sie beispielsweise in Dänemark längst gibt.
Weitere Infos gibt´s z.B. beim BfR in Berlin.
erschienen in der Saarbrücker Zeitung am 16.8.2007