In den letzten Monaten sind mehrere Meta-Analysen und Übersichtsarbeiten erschienen, die zu dem Schluss kamen, dass es keinen Zusammenhand zwischen dem Konsum gesättigter Fettsäuren und dem Risiko für Koronare Herzkrankhieten bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt:
Auf Nachfrage bei der DGE, ob nun nicht die Empfehlungen bzw. die Leitlinie zum Thema Fettverzehr und Gesundheit geändert werden müsse, geschah - erst einmal nichts.
Nach mehreren Wochen erschien dann eine sehr interessante Pressemeldung. Interessant ist sie deshalb, weil die DGE zunächst einmal die "neuen" Erkenntnisse in Sachen gesättigte Fette bestätigt: „Neue zusammenfassende Auswertungen publizierter Studien zeigen, dass bei isolierter Betrachtung der gesättigten Fettsäuren kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Zufuhr von gesättigten Fettsäuren und dem Risiko für koronare Herzkrankheit bzw. Herz-Kreislauf-Krankheiten besteht.“
Wer glaubt, jetzt folge eine Passage, in der die Revision der DGE-Empfehlungen angekündigt wird, irrt. Stattdessen folgt dies: „Aus diesem Ergebnis kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass gesättigte Fettsäuren keinen Einfluss auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten haben."
Umkehrschluss? Welcher Umkehrschluss? Weiter heißt es: "...die isolierte Betrachtung eines Nährstoffs – hier der gesättigten Fettsäuren – [wird) der tatsächlichen Ernährung nicht gerecht". Das ist verblüffend. Immerhin war es die DGE, die Lebensmittel beständig aufgrund ihres Gehaltes an gesättigten Fettsäuren abgewertet hat.
Es folgt der nächste Streich: Ein Ergebnis der Meta-Analyse von Skeaff ist, dass der Austausch von gesättigten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren das Risiko an einer Koronaren Herzkrankheit zu sterben (relatives Risiko = 0,84; 95% CI 0,62-1,12) und die Gesamtsterblichkeit nicht senkt (relatives Risiko = 0,88; 95% CI 0,76-1,02). Dazu verliert die DGE kein Wort. Stattdessen pickt sie aus der Meta-Analyse eine einzige Untergruppenanalyse heraus, wonach die Fettmodifikation doch signifikante Vorteile habe. Diese Untergruppenanalyse wird jedoch entscheidend von zwei uralten Studien geprägt, von denen eine methodisch fragwürdig ist. Sie wurde in Finnland in psychiatrischen Krankenhäusern durchgeführt, wozu das arznei-telegramm kürzlich (Nr. 2/2010) anmerkte: Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse in die Praxis sei fraglich, weil sie teilweise „unter kasernenartigen“ Bedingungen gewonnen wurden. Die andere "erfolgreiche" Studie verwendete eine fischölreiche Margarine anstelle von Butter, sodass ihr Ergebnis durch den hohen Omega-3-Fettsäuregehalt beeinflusst sein kann.
Obwohl es diverse Interventionsstudien zum Thema Fettmodifikation und Koronare Herzkrankheit gibt, führt die DGE zur Begründung ihrer Empfehlungen dann auch noch eine theoretische Modellrechnung an (aus dem Postscript der Studie von Jakobsen et al.: American Journal of Clinical Nutrition 2009; 89: 1425-1432): "Eine Analyse von 11 Kohortenstudien ergab, dass eine verringerte Zufuhr gesättigter Fettsäuren um 5 % der Energiezufuhr und eine gleichzeitige Erhöhung der Zufuhr mehrfach ungesättigter n-6 Fettsäuren mit einem um 13 % gesenkten Risiko für koronare Ereignisse und einem um 26 % gesenkten Risiko für koronare Todesfälle verbunden ist..." Was sie ihren Lesern verschweigt: Diese Zahlen sind reine Theorie - errechnet, nicht ausprobiert und gemessen oder gezählt!
Ganz anders liest sich die am 9. März veröffentlichte Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF). Unter dem Titel „Mit Fett gegen den Herzinfarkt“ heißt es, dass vor allem für insulinresistente Menschen eine kohlenhydratreiche, fettreduzierte Ernährung "sehr bedenklich" sei, weil sie deren typische Fettstoffwechselstörung massiv verschlechtere und das Herzinfarktrisiko erhöhe. Durch eine sehr fettarme Kost könnten sich im Übrigen auch Gesunde einen Herzinfarkt "im wahrsten Sinne des Wortes anessen.“
Das Abstruse an dieser Geschichte ist, dass die DGE Ernährungsberater ausbildet und weiterqualifiziert, dass sie bei Qualifizierungsmaßnahmen anderer Organisationen mitentscheidet und dass viele Krankenkassen eine Ernährungsberatung nur dann finanzieren oder bezuschussen, wenn nach den Empfehlungen der DGE beraten wird. Zumindest im Falle der zahlreichen Insulinresistenten in unserer Gesellschaft erhält man sich so wohl die Kundschaft.