Bei dem Vitamin Folsäure wiederholen sich gerade die schlechten Erfahrungen, die man bereits mit ß-Carotin machen musste. Beide Vitamine galten lange als völlig harmlos - bis es Anzeichen dafür gab, dass sie das Krebsrisiko nicht senken, sondern erhöhen. Zwar gilt ein niedriger Folatstatus als Risikofaktor für bestimmte Krebsleiden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch ergaben die bislang durchgeführten Interventionsstudien mit Folsäuresupplementen durchweg ernüchternde Resultate. Weder schützten Folsäurepillen vor koronaren Herzkrankheiten noch vor Krebs. Dafür mehren sich derzeit die Hinweise, dass zu viel Folsäure schädlich ist.
So fand die große Polyp Prevention Study keinen Schutz vor Adenomen, aber Hinweise auf ein erhöhtes Darmkrebsrisiko, wenn 1 mg Folsäure täglich als Supplement eingenommen wurde. Diese Menge ist ein Vielfaches dessen, was mit der Nahrung an Folsäureäquivalenten aufgenommen wird. Zudem wird das Folat aus Lebensmitteln anders verstoffwechselt als die Folsäure der Supplemente.
Schon länger wird darauf hingewiesen, dass Fosläure ein zweischneidiges Schwert ist, je nachdem wann und in welcher Dosis sie eingesetzt wird: Ein Mangel kann in gesundem Gewebe die Krebsentstehung fördern - insofern dient eine ausreichende Versorgung mit dem Vitamin dem Krebsschutz. Sind jedoch bereits kleinste Tumoren vorhanden, kann Folsäure das Fortschreiten der Erkrankung fördern, insbesondere im Darm. Besonders problematisch sind Supplemente, die anders als das Folat aus Lebensmitteln die Blutspiegel rasch erhöhen.
Auch beim Prostatakrebsrisiko mehren sich nun die Hinweise auf ein erhöhtes Risiko durch Folsäure: In einer Studie, die Aspirin und Folsäuresupplemente (1 mg/Tag) an rund 650 Männern testete, betrug das relative Risiko für Prostatatumoren nach zehn Jahren das Zweieinhalbfache im Vergleich zu jenen Männern, die keine Folsäure eingenommen hatten (Figueiredo, JC et al, J Natl Cancer Inst published online am 10. März 2009). Interessanterweise fand sich kein erhöhtes Risiko durch Folat aus Lebensmitteln. Im Gegenteil: Wer sich vitaminreich ernährte, zeigte einen Trend zu weniger Krebs (nicht signifikant). Die Studie ist zwar klein, ihre Ergebnisse sollten jedoch ernst genommen werden, weil sie mit anderen übereinstimmen, die auf das gleiche Problem hindeuten.
Was in geringer und nutritiver Dosis gut ist, muss es als höher dosiertes Supplement noch lange nicht sein. Das haben wir schmerzhaft beim ß-Carotin lernen müssen, das bei Rauchern Lungenkrebs fördert. Bei der Folsäure sehen wir jetzt wieder, dass Supplementierungen und vor allem die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln sehr wohl überlegt sein müssen. Denn wenn die Verringerung von Neuralrohdefekten bei Kindern mit einem erhöhten Darm- und Prostatakrebsrisiko erkauft werden muss, sollte nach anderen Strategien zum Schutz der Kinder gesucht werden.