Seit Morgan Spurlocks Kinofilm "Super Size Me" gerieten Fast Food und Co. unter Druck wie nie: Leberverfettung, Gewichtszunahmen, sexuelle Unlust und schlechte Cholesterinwerte sollten allein durch eine 30tägige Maximenü-Verpflegung bei McDonald´s entstanden sein. Geglaubt haben das viele - schwedische Wissenschaftler haben das Experiment nun unter kontrollierten Bedingungen wiederholt. Mit sehr spannenden Ergebnissen, wie der New Scientist vom 27. Januar 2007 berichtet.
Den Leiter der Untersuchung, Fredrik Nyström von der Universität in Linköping, hatte schon lange gestört, dass es im Film so unwissenschaftlich zugegangen war. Keine von Spurlocks Aussagen und Angaben ließ sich irgendwie nachprüfen. Als durch einen glücklichen Umstand etwas Geld übrig war, beschloss der Schwede, das Experiment mit Freiwilligen aus den Reihen seiner Studenten zu wiederholen. 12 Studenten und 6 Studentinnen konnte er schließlich rekrutieren - es erwies sich als schwierig, genügend weibliche Teilnehmer für den Fresstest zu begeistern.
Die ersten sieben Teilnehmer starteten im Februar 2006 das kontrollierte Überessen, wobei möglichst viele energiedichte Mahlzeiten und Snacks gefuttert werden sollten, um auf das Doppelte des individuellen Kalorienbedarfes zu kommen. Zudem sollten sich die Teilnehmer möglichst wenig bewegen. Was nach dem siebten Himmel für alle Couch-Potatoes aussieht - Burger, Pizza, Schokolade, Cola und Milchshakes bis zum Abwinken und "no sports" - fiel den Testfressern richtig schwer: Sowohl die vielen Kalorien in sich hineinzustopfen als auch, ihre körperliche Aktivität auf maximal 1 Stunde wöchentlich herunter zu fahren.
Was kam denn nun bei dem Experiment heraus? Die vorläufigen Ergebnisse - die Veröffentlichung in einem Fachblatt steht noch aus - überraschten die Wissenschaftler um Nyström: Die Folgen der organisierten Fressorgie erwiesen sich nämlich als individuell sehr unterschiedlich. So nahm ein männlicher Teilnehmer binnen eines Monats zwar viereinhalb Kilo zu, die Hälfte davon war jedoch Muskulatur - nicht Fett - und sein Cholesterinspiegel war etwas gesunken. Allerdings fühlte er sich irgendwie "schmierig" und schmutzig und kam rasch ins Schwitzen und Schnaufen, wenn er Treppen stieg.
Ein anderer Teilnehmer brauchte nur zwei Wochen, um die von der Ethikkommission erlaubte Gewichtszunahme von 15% des Ausgangsgewichtes zu ereichen. Eine Studentin nahm binnen vier Wochen gut 9 Kilo zu, fand sich im Spiegel zwar nicht mehr schön, fühlte sich psychisch allerdings "sehr, sehr gut". Während Spurlock in seinem Film von massiven Leberproblemen berichtet, zeigte kein einziger von Nyströms erster Studiengruppe Hinweise auf Leberschäden. Bei einigen späteren Teilnehmern waren die Leberenzyme dann aber doch angestiegen - aber eben nur bei einigen.
Interessant waren auch die Veränderungen der Cholesterinspiegel: Dass sich die über die Ernährung nur wenig beeinflussen lassen, dürfte inzwischen bekannt sein. Die Änderungen, die auftraten, widersprachen aber allen Erwartungen: Bei manchen war das LDL-Cholesterin gesunken und das HDL-Cholesterin gestiegen - wohl gemerkt nach einem Monat doppelter Kalorienzufuhr in Form von Fastfood aller Art.
Übrigens war den Teilnehmern während der Testphase immer sehr warm - und die Lust auf Fastfood ist einigen gründlich vergangen.
Ist es nicht wieder schön - da paßt die Story eines Kinofilms ins ernährungspopulistische Weltbild - und (fast) alle applaudieren, ohne auch nur einmal zu hinterfragen, ob tatsächlich sein kann, was sein soll. Nyström und seinem Team gebührt große Anerkennung dafür, die Aussagen dieses Films überprüft zu haben. Mit Spannung erwarte ich die weiteren Ergebnisse dieser Studie in der Fachliteratur.
Dass Menschen höchst unterschiedlich auf ein und dieselbe Ernährungsmaßnahme reagieren, sollte allerdings nicht verwundern. Ich finde es ist an der Zeit, in Studien nicht mehr danach zu fragen, ob diese oder jene Kost dick macht, sondern zu fragen: Warum reagiert wessen Körpergewicht wie auf was? Und: Mit welchen Ernährungsratschlägen können wir jenen helfen, die zu ernährungsbedingtem Übergewicht neigen? Die anderen könnten wir ja diesbezüglich einfach in Ruhe lassen.
In jedem Fall sollten Aussagen wie "täglich nur 50 Kalorien zuviel gegessen, führen in einem Jahr zu einer Gewichtszunahme von x Kilo" nun endlich der Vergangenheit angehören.